“Menschen, die miteinander zu schaffen haben, machen einander zu schaffen”- diese Weisheit des Kommunikationswissenschaftlers Friedemann Schulz von Thun können wir in fast jedem Meeting, bei Abteilungsbesprechungen oder an den müden Augen unseres Kollegen erkennen.
Nun gehen Menschen unterschiedlich mit Konflikten um. Wir haben unterschiedliche Erfahrungen gemacht und dadurch unterschiedliche Strategien entwickelt, also Verhaltensweisen gelernt um mit Konflikten umzugehen und uns zu schützen bzw. Ziele zu erreichen. Diese Strategien waren zu früheren Zeiten nützlich und hilfreich - heute, mit anderen Beteiligten und in anderen Situationen, erweisen sie sich mitunter jedoch als die falschen Werkzeuge.
Daher stelle ich auf diesem Blog unregelmäßig Ideen vor, um das eigene Verhalten zu hinterfragen und neue Verhaltensweisen auszuprobieren. Eat Sleep Test Repeat.
In der Kaffeeküche
Die Kollegin macht sich einen Kaffee an der Espressomaschine, lässt alles stehen und liegen, denn plötzlich klingelt ihr Telefon. Vermutlich der Anruf, auf den sie schon den ganzen Vormittag gewartet hat - sie stürzt also in ihr Büro und ist die nächste halbe Stunde nicht zu sprechen.
Ihr Kollege möchte sich ebenfalls einen Kaffee kochen, doch ist die Maschine noch dreckig. Er putzt sie, grummelt kurz, aber hat es kurz darauf auch wieder vergessen.
Hat er?
Die Situation wiederholt sich. Mal mit der telefonierenden Kollegin, mal lassen andere Mitarbeiter das Milchkännchen stehen oder verlassen die Maschine ungeputzt.
Mit der Zeit wird der Kollege schweigsamer. Die anderen vermuten Projektstress, wollen aber auch nicht bohren; zunehmend reagiert der putzende Kollege mit bissigen Kommentaren oder zieht sich ins Schweigen zurück: Dann schließt er nur langsam die Augen und atmet hörbar ein und aus.
Was tun?
Als seine Vorgesetzte ihn irgendwann anspricht und vorsichtig fragt, was denn los sei, er wirke so verändert und weniger zugänglich als früher, explodiert er. In diesem Sauladen könne er nicht arbeiten, es reiche nun völlig und er sei jawohl nicht hier um anderen Leuten hinterherzuwischen!
Die Vorgesetzte erschrickt, steht doch seine Reaktion in keinem (für sie) nachvollziehbaren Verhältnis zu ihrer Anfrage.
Sie legt ihm daraufhin nahe, doch endlich mal die Überstunden abzubummeln und vielleicht, doch eigentlich unbedingt, etwas Urlaub zu nehmen.
Dies sieht der Kollege nun als Missachtung seiner Loyalität (und vielleicht sogar Integrität) und wirft noch schnell ein “Macht doch euren Scheiß allein, ich kündige!” an ihren Kopf, bevor er die Tür hinter sich zuknallt.
Die meisten Personen in diesem Szenario (der Kollege, die Vorgesetzte, die anderen Mitarbeiter) verhalten sich - zumindest die längste Zeit - auf eine bestimmte Weise: Sie “flüchten”: Sie sprechen ihren Missmut nicht aus, sie meiden die Konfrontation.
Der Kollege steckt den Kopf in den Sand, weil er vielleicht glaubt, seine Kollegin “eh nicht ändern zu können”, dabei ärgert er sich bei jeder Situation ein bisschen mehr.
Die Kollegen sprechen ihn auf sein Verhalten nicht an, weil sie ihn vielleicht “nicht verletzen” wollen. Er verhält sich zwar schrullig, aber naja, dann ist der halt so, dann geht man ihm halt besser aus dem Weg … Wir alle haben gute Gründe für die Wahl unserer Strategie mit einem Konflikt umzugehen. Das Problem: Den Konflikt interessiert das wenig. Solange er nicht thematisiert wird, sich die Situation aber nicht grundlegend ändert (die Beteiligten also weitermachen wie bisher), bleibt er bestehen und bekommt sogar stetig neues Futter. Er wächst und gedeiht. Denn: Unsere alten - altgedienten - Strategien zeigen sich heute vielleicht als nutzlos oder schlimmer noch: als konfliktverschärfend.
Alternativ hätte der Kollege seine Kollegin später (oder bei Wiederholung) auf das “Kaffee-Problem” ansprechen können. Daraufhin hätte sie sich vielleicht bedankt für sein Aufräumen. Und sie würde in Zukunft eventuell stärker darauf achten, wie sie die Espressomaschine hinterlässt.
Seine Kollegen hätten ihm mitteilen können, dass sie sich über sein Verhalten wundern und sich um ihn sorgen oder über ihn ärgern. Er hätte dadurch eine Einladung bekommen zu erzählen, was ihm auf dem Herzen liegt. Woraufhin auch die Kolleginnen und Kollegen vielleicht etwas achtsamer geworden wären.
Ansprechen birgt immer eine Chance auf Veränderung. Schweigen hingegen stabilisiert einen Konflikt, Schweigen “erträgt”. Schweigen eskaliert im Stillen.
Okay. Und wie spreche ich das nun an?
Konflikte ansprechen 101
1. Wahrnehmung:
Zuerst schildere ich dem anderen meine Sichtweise. Ich versuche dabei, nur von mir auszugehen und so konkret wie möglich zu sein.
“Mir ist aufgefallen, dass Du die Kaffeedose häufig offen stehen lässt und das Milchkännchen nicht ausspülst, zum Beispiel gestern und heute Früh.”
2. (Aus-) Wirkung:
Anschließend beschreibe ich die Auswirkung und meine Gefühle, die ich durch diese Beobachtung spüre. Auch hier benutze ich die Form der Ich-Botschaft und bleibe bei mir.
“Dadurch verliert der Kaffee sein Aroma und schmeckt komisch. Zudem muss ich das Kännchen spülen, bevor ich es nutzen kann. Das nervt und ärgert mich.”
3. Wunsch:
Nun kann ich mein Gegenüber auch nach seiner Sichtweise fragen und wir können gemeinsam nach einer Lösung suchen.
Alternativ kann ich auch - sofern mein Ziel eine Veränderung ist - einen Wunsch an mein Gegenüber äußern.
“Ich wünsche mir von Dir, dass Du Dich bemühst, die Kaffeedose nach Nutzung zu schließen.”
Dieses System mag zunächst etwas künstlich wirken.
Ich schätze daran, dass ich mir durch die Dreiteilung bewusst mache, was eigentlich meine Wahrnehmungen, was meine Gefühle und meine Bewertungen sind. Dadurch kann ich differenziertere Kritik äußern als “grmpf!$§&$§!”. Tatsächlich ermöglicht diese Methodik oft erst ein Sprechen, weil ich nicht so schnell Gefahr laufe, etwas zu sagen, das mein Gegenüber verletzt - eben weil ich beeinflussbares Verhalten kritisiere (und keine Zuschreibung auf Identitätsebene mache: “Du bist ein Chaot”).
Hinweis: Alle Beispiele haben sich vielleicht so oder anders irgendwo auf dieser Welt zugetragen, sind jedoch zu einem Großteil der Fantasie der Autorin entsprungen.
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