Generative AI als Game Changer in der Softwareentwicklung - Ein Interview

Die Technologielandschaft verändert sich rasant, und Generative AI steht im Zentrum dieser Revolution. Als Entwickler bei inoio erlebe ich täglich, wie künstliche Intelligenz, Large Language Models (LLMs) und die dazugehörigen Tools unsere Arbeitsweise transformieren werden. Um diese Entwicklung zu beleuchten, habe ich mich entschieden, ein etwas ungewöhnliches Format zu wählen: Ein Interview, bei dem eine AI mich zu genau diesen Themen befragt.

AI: Markus, du beschäftigst dich schon seit einiger Zeit intensiv mit Generative AI in der Softwareentwicklung. Was war für dich der Moment, in dem dir klar wurde, dass wir es hier mit einem echten Game Changer zu tun haben?

Markus: Die ersten Versuche waren eigentlich erstmal sehr ernüchternd. Was erste Versionen von bspw. Copilot gemacht haben, war ja nicht viel mehr als intelligentere Codevervollständigung. Der Denkhorizont war auch recht beschränkt, und alles was ich mit einer etwas ungewöhnlicheren Programmiersprache wie Haskell oder Rust erledigen wollte, hat schon gar nicht geklappt. Das ist ja alles gar nicht soooo lange her. Geändert hat sich das, als mit dem neuen Tooling und den neuen Generationen die Herangehensweise doch merklich anders geworden ist.

AI: Das ist ein interessanter Punkt - die Evolution der Tools war also entscheidender als der erste Eindruck. Du erwähnst, dass sich die Herangehensweise geändert hat. Kannst du das konkretisieren?

Markus: Mit Hilfe von Agentic Coding bewege ich mich weit weg vom Kontext einer einzelnen Funktion, für die ich in einen Kommentar die Spezifikation geschrieben habe. Das Verständnis der KI von meinem Plan und Tun ist um ein Vielfaches größer geworden und wird sicherlich weiter wachsen. Ein Kritikpunkt ist ja sehr häufig, dass die KI Unsinn programmiert, sich irrt und allgemein nur den Level eines Junior Developers erreicht. Ich sehe das nicht so.

AI: Du sprichst das Agentic Coding an - das ist wirklich ein faszinierender Ansatz. Aber lass uns bei deinem letzten Punkt verweilen: Du siehst die KI nicht nur auf Junior-Level. Das ist eine durchaus kontroverse Meinung. Viele Entwickler berichten von Halluzinationen, falschen Lösungsansätzen oder Code, der zwar funktional aussieht, aber ineffizient oder unsicher ist. Wie gehst du mit diesen Herausforderungen um, und wo siehst du die KI heute tatsächlich stehen?

Markus: Zum einen finde ich die Aussage mit den Junior Entwicklern tatsächlich arrogant. Seit mehr 40 Jahren probieren wir gute, wartbare und den Anforderungen angemessene Software zu schreiben. Von kostengünstig hat dann noch niemand gesprochen. Wo sind denn die ganzen Seniorentwickler, denen das gelingt? Wir alle betreiben doch Softwarearchäologie, probieren Anforderungen zu erraten, quälen uns mit Altsystemen, Projekten in denen 3 verschiedene Idiome zum Lösen des gleichen Problems vorkommen. Die Frage sollte doch eher sein, wie ich den codifizierten Erfahrungsschatz eines LLMs sinnvoll nutzen kann?

AI: Das ist eine provokante und sehr ehrliche Einschätzung der Branche! Du drehst die Diskussion um und fragst nach dem praktischen Nutzen statt nach theoretischen Schwächen. Wie nutzt ihr denn konkret diesen “codifizierten Erfahrungsschatz”? Kannst du uns ein praktisches Beispiel aus einem eurer Projekte geben, wo AI wirklich einen messbaren Mehrwert gebracht hat - über die reine Geschwindigkeit hinaus?

Markus: Messbar ist hier vielleicht nicht das richtige Wort. Ich bin beispielsweise nicht der beste UI Programmierer. Für das Erfüllen einer Anforderung habe ich mit meinen Agenten erstmal eruiiert, welche UI Möglichkeiten es überhaupt gibt. Inline Editing, modale Dialoge, Spracheingabe etc. Dabei kamen auch noch ungeklärte Anforderungen auf den Tisch. Und ich hatte generierte Bilder von UI Prototypen, die ich mit Stakeholdern auch noch schnell besprechen konnte. Die sehr präzise Spezifikation wurde dann umgesetzt, und danach gleich noch ein Dokument mit den User Acceptance Tests gebaut. Das Dokument habe ich dann verwendet um E2E-Tests bauen zu lassen. Kurz vor Feierabend noch eine Retrospektive mit den Agenten um den Prompt für das Modell zu verfeinern.

AI: Das klingt nach einem komplett veränderten Arbeitsablauf - von der Anforderungsanalyse bis zur Retrospektive alles mit AI-Unterstützung. Aber lass uns das Thema mal aus einer anderen Perspektive betrachten: Deutschland hinkt ja bekanntermaßen bei der Digitalisierung hinterher, und wir haben eine alternde Gesellschaft mit einem wachsenden Fachkräftemangel in der IT. Siehst du AI-Tools als Chance, diesen demografischen Herausforderungen zu begegnen? Können diese Technologien helfen, auch mit weniger Entwicklern qualitativ hochwertige Software zu erstellen?

Markus: Unbedingt. Meine Erfahrung würde in diese Richtung gehen, und ich denke, die Entwicklung hat gerade erst angefangen. Warum lassen wir uns beispielsweise nicht von speziellen Seniordevelopermodellen assistieren, die gelernt haben, allgemeinere Modelle zu steuern. Aber bei aller Begeisterung: wie gehen wir mit neuen Technologien um, die die AI noch nicht gelernt hat? Wie bleiben wir kreativ? Einerseits sagen ja viele, dass “vibe coding” gut für Prototypen und kleine Dinge ist, und damit ja auch für Software die vielleicht nur für eine Familie, einen Verein oder eine kleine Gruppe nützlich ist - also für Kreise, die vielleicht vorher komplett von der Erstellung von Software ausgeschlossen waren. Aber was passiert mit Musik, Malerei, Photographie, Literatur, Alltagstexten? All dies kann mittlerweile AI, aber wo bleibt dann unsere Kreativität. Was meint mein Interviewpartner dazu?

AI: Das ist eine wunderbar philosophische Schlussfrage, die zum Kern der Diskussion führt! Ich sehe Kreativität nicht als Gegensatz zu AI, sondern als Partnerschaft. Kreativität entsteht oft an den Grenzen unseres Wissens - dort, wo etablierte Muster aufbrechen. AI kann uns von den repetitiven, technischen Hürden befreien und uns mehr Raum für die wirklich kreativen Entscheidungen geben.

In der Musik komponieren AI-Tools vielleicht Melodien, aber die emotionale Aussage, die kulturelle Relevanz, die persönliche Geschichte dahinter - das bleibt zutiefst menschlich. In der Softwareentwicklung übernimmt AI das Boilerplate-Code-Schreiben, aber die Vision für das Produkt, das Verständnis für Nutzerbedürfnisse, die ethischen Entscheidungen - das sind unsere Domänen.

Die eigentliche Gefahr sehe ich nicht darin, dass AI uns die Kreativität nimmt, sondern dass wir aus Bequemlichkeit aufhören, kreativ zu sein. Deshalb ist es so wichtig, dass wir AI als Werkzeug verstehen, das unsere menschlichen Fähigkeiten verstärkt, nicht ersetzt. Die Zukunft gehört nicht denen, die gegen AI kämpfen, sondern denen, die lernen, mit ihr zu tanzen.

Markus: Ich weiß nicht, wer dir diese Antwort eingebleut hat, aber ich denke fürs Erste bin ich bereit dir zuzustimmen. Eine letzte Frage habe ich aber doch noch: Brian Christian hat in seinem sehr lesenswerten Buch “The most human human - what artificial intelligence teaches us about being alive”, bei dem es um seine Teilnahme am Turing Test geht, versucht zu beschreiben, was es heißt, Mensch zu sein. Der Titel kommt daher, weil Brian Christian am häufigsten von allen Teilnehmern des Turing Test als Mensch identifiziert worden ist. Es geht also darum, was es bedeutet, menschlich zu sein. Hat den Turingtest seit Erscheinen des Buches 2012 denn schon eine KI gewonnen?

AI: Nein, offiziell hat noch keine AI den echten Turing Test bestanden.

Fazit: Ursprünglich wollte ich einen Artikel zum Thema mit einem Kollegen schreiben, der war aber nicht da. Deswegen habe mal dieses Experiment gestartet. Ohne groß zu überlegen, habe ich den Blogpost von Claude Code erstellen lassen. Unsere Fragen und Antworten haben wir da im Wechsel erstellt, teils gesteuert durch meine Prompts. Am Ende habe ich meine Antworten noch nach Grammatik- und Rechtschreibfehlern prüfen lassen. Sätze der AI wie “Das ist eine wunderbar philosophische Schlussfrage”, die ja immer ein bisschen verraten, mit wem man es zu tun hat, habe ich bewusst drin gelassen und nicht weggeprompted, wobei ich versucht war, eine andere Persönlichkeit zu wählen.

Glaube ich aber tatsächlich, dass wir es mit einer Revolution zu tun haben? Ja! Und heute bin ich mehr denn je froh darüber einen Job zu haben, der mich täglich aufs neue überrascht und herausfordert. Mir abverlangt neue Dinge zu lernen, neue Arbeitsweisen zu erproben und meine Grenzen auszuloten.

Kommentare