Transparente Gehälter und ein magisches Dreieck

Redet man über Mitbestimmung der Mitarbeiter:innen in einer Firma, kommt irgendwann zwangsläufig das Thema Transparente Gehälter: Wer darf die Gehälter einsehen, und wer soll darüber entscheiden?

Theoretisch ist das einfach - in Schweden zum Beispiel weiß jeder, was die anderen verdienen. Praktisch tun sich Firmen aber schwer damit, ein gutes Modell finden. Das mag auch daran liegen, dass es hier ein Magisches Dreieck gibt:

Magisches Dreieck

Ein Magisches Dreieck ist ein Konstrukt, bei dem ich drei Sachen haben möchte, aber davon nur zwei gleichzeitig bekommen kann; ich muss also immer eine Kröte schlucken.

Was sind hier die drei Wünsche, und warum kommen sie nicht zusammen?

Wunsch 1: Gehaltstranzparenz

Um einschätzen zu können, ob ich fair bezahlt werde, muss ich ein Gefühl für die Gehälter haben. Werde ich als Frau schlechter bezahlt als meine Kollegen? Bekommt der Kollege, der viel redet, aber wenig umsetzt, mehr Geld als ich? Fairness liegt im Auge des Betrachters, und ein eigenes Bild kann ich mir erst auf Basis der Fakten bilden.

Wunsch 2: Leistungsorientierung

Bezahlung, die meine Leistungen und Besonderheiten berücksichtigt: Ich schaffe richtig was weg, bin supergut in dem was ich tue - das soll sich doch auch lohnen. Auch internes Engagement, beispielsweise in der Akquise, soll honoriert werden.

Wunsch 3: Angenehmer Prozess

Ein Gehaltsprozess hat Potential für unangenehme Situationen, wer mag schon Gehaltsgespräche? Kann man die Gespräche auf Augenhöhe führen, wenn eine Partei die Entscheidungen trifft? Wenn ich die Fähigkeiten von Kolleg:innen bewerte, fühlt sich das oft unangenehm an und erzeugt Widerspruch. Introvertierten fällt es schwerer, sich zu verkaufen - sollen deshalb Extrovertierte mehr verdienen?

Das Magische Dreieck

Wie versprochen, kann unser Magisches Dreieck zwei Wünsche auf einmal erfüllen. Wie sähen solche Modelle aus?

Ein Modell ohne Gehaltstransparenz

…aber dafür mit Leistungsorientierung und einem unanstrengenden Prozess:

Ich vertraue den Leuten, die die Gehälter festlegen, vielleicht wähle ich sie selber. Ich bin mir sicher dass sie fair verteilen, und wenn ich Fragen habe, haben sie immer ein offenes Ohr. Deshalb muss und will ich die Details gar nicht wissen.

Ein Modell ohne leistungsorientierte Bezahlung

…aber dafür mit Gehaltstransparenz und einem unanstrengenden Prozess:

Wie legen ein objektives Regelwerk fest, und jeder kann ausrechnen, wo er steht.

Objektive Regelwerke - allgemeine, passive Regeln

Gut geeignet sind allgemeine Regeln, die sich nicht aktiv beeinflussen lassen:

Die Berufserfahrung vor der Firma

Die Länge der Zugehörigkeit zur Firma

Das Alter

Objektive Regelwerke - extrinsische Motivation

Nehme ich hingegen eine Regel

Wie viele Stunden buche ich auf Kundenprojekte

Wie viel Geld bringe ich rein?

dann bewege ich mich Richtung extrinsische Motivation, Akkord-Arbeit, Burnout. Auch firmeninternes Engagement wird hier nicht gewürdigt.

Objektive Regelwerke - Rand-Optimierungen

Eine Regel

Welche Fortbildungen besuche ich?

Welche Zertifikate habe ich?

führt hingegen zu einer Optimierung eines Rand-Faktors, der dann vielleicht doch nicht so zentral für den Erfolg ist. Objektive Regelwerke stoßen also schnell an ihre Grenzen, wenn es um Leistungsorientierung geht.

Nicht Arbeiten ohne Sonderanweisung

Ein Modell ohne angenehmen Prozess

…aber dafür mit Gehaltstransparenz und Leistungsorientierung:

Wenn ich subjektive Bewertungen und Verhandlungen nicht ganz vermeiden kann, wie kann ich sie zumindest angenehmer gestalten?

Vielleicht:

Ich kann grundsätzlich mein Gehalt selber festlegen, muss mich aber vorher von mehreren Personen beraten lassen?

oder:

Wir haben eine Basis aus Objektiven Regeln, ich kann aber im Plenum einen Wunsch äußern und begründen, warum ich mehr bekommen soll; die Gruppe entscheidet dann.

In beiden Fällen muss ich bei Widerspruch meinen Standpunkt vertreten. Wenn mein Selbstbild und das Fremdbild auseinanderlaufen, kann es dabei zu unangenehmen Diskussionen kommen.

Das Magische Dreieck

Wir haben gesehen, dass im Magischen Dreieck jeweils zwei Wünsche erfüllbar sind. Aber warum nicht alle drei?

Eine faire Bezahlung ist immer subjektiv und abhängig von vielen Faktoren, die sich nicht in ein objektives Modell pressen lassen. Verschiedene Menschen habe hier verschiedene Blickwinkel; macht man das transparent, wird es auch Widerspruch und Diskussionen geben. Da das Thema Gehälter stark mit der persönlichen Sicherheit und dem Selbstwert verbunden ist, kann es dann schnell emotionale und auch unangenehme Diskussionen geben.

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